Ich weiß, wie schwer es ist.
Gerade dann, wenn du ein Pferd an deiner Seite hast, das augenscheinlich große Themen mitbringt – körperlich oder emotional. Vielleicht hat es gesundheitliche Baustellen, wirkt nervös, ist dünn,
unausbalanciert oder schreckhaft.
Dann fällt es unglaublich leicht, sich auf all das zu konzentrieren, was (noch) nicht geht. Und irgendwann ertappst du dich dabei zu denken:
👉 „Der Arme. Der hat’s echt schwer.“
Dieser Gedanke ist verständlich – aber genau hier beginnt ein gefährlicher Teufelskreis.
Wenn Mitgefühl zur Begrenzung wird
Es beginnt mit einem liebevollen Impuls. Wir wollen unser Pferd schützen. Wir sehen die Schwächen, die Unsicherheiten, die Defizite – und möchten nicht überfordern.
Doch was passiert in Wahrheit?
➡️ Wir fangen an, das Pferd nur noch durch die Linse von Krankheit, Trauma oder Defizit zu betrachten.
➡️ Wir werden vorsichtig, zögerlich, weich – oft sogar unsicher in unserer Führung.
➡️ Wir senden unbewusst die Botschaft: „Du bist zerbrechlich. Ich muss dich ständig schonen.“
Und dein Pferd? Es spürt diese Energie – jeden einzelnen Tag.
Die Realität, die du siehst, wird zur Realität deines Pferdes
Pferde leben im Moment, ja – aber sie lesen uns feiner, als wir oft glauben.
Sie nehmen unsere Körpersprache, unsere Gedanken, unsere Emotionen auf.
Wenn du dein Pferd immer wieder als „nicht belastbar“, „schwierig“ oder „verletzlich“ wahrnimmst, dann:
❌ übernimmst du nicht die Führung, die es braucht
❌ traust du ihm keine Entwicklung zu
❌ hältst du es unbewusst in genau diesem Zustand fest
Deine Wahrnehmung, deine innere Haltung und deine Erwartungen formen den Raum, in dem dein Pferd sich bewegt. Und wenn dieser Raum klein ist – gefüllt mit Sorge, Angst und Schonung –, dann kann darin keine Entwicklung geschehen.
Wie ich das mit meinem eigenen Pferd erlebt habe
Als Lepanto vor einem halben Jahr zu mir kam, war er ein Schatten seiner selbst:
nervös, dünn, körperlich instabil und emotional völlig unausbalanciert.
Mein erster Gedanke war:
„Oh nein... der arme Kleine. Was hat er bloß erlebt?“
Doch ich habe schnell gemerkt, wie sehr mich dieser Gedanke lähmt.
Wie er meine Haltung beeinflusst hat. Wie ich zu vorsichtig wurde. Zu verständnisvoll. Zu zurückhaltend.
Und ich wusste: Wenn ich ihn wirklich begleiten will, muss ich ihm mehr zutrauen.
Also habe ich mich entschieden, ihn für das zu sehen, was er sein kann:
✨ ein starker, stolzer, präsenter Schimmel voller Kraft und Selbstbewusstsein.
Und was soll ich sagen?
Er hat sich verändert. Nicht nur äußerlich – er ist anders geworden.
➡️ stabiler
➡️ mutiger
➡️ lebensfroher
➡️ mit mehr Fokus und Präsenz
Nicht, weil ich ihn überfordert habe. Sondern weil ich ihm Raum gegeben habe, in diese neue Identität hineinzuwachsen.
Warum es nicht sinnvoll ist, dein Pferd als „krank“ oder „schwierig“ zu sehen
Wenn du ständig denkst:
-
„Das kann mein Pferd nicht.“
-
„Ich muss ihn schützen.“
-
„Er ist noch nicht so weit.“
...dann wirst du dich auch genauso verhalten:
-
du bleibst in der Komfortzone
-
du gehst Herausforderungen aus dem Weg
-
du vermeidest Entwicklung
Doch Wachstum entsteht nicht in Schonhaltung.
Wachstum braucht Vertrauen, klare Führung und eine Vision davon, was möglich ist – auch wenn dein Pferd gerade noch weit davon entfernt scheint.
So kannst du den Teufelskreis durchbrechen
🎯 Ändere deine innere Haltung.
Was siehst du, wenn du dein Pferd anschaust?
Einen Patienten – oder einen Athleten? Einen Überlebenden – oder ein Wesen voller Potenzial?
🧭 Führe klar – mit Gefühl.
Dein Pferd braucht keine Schonung, sondern einen Menschen, der klar denkt, ruhig bleibt und Vertrauen ausstrahlt.
🧱 Baue das auf, was fehlt – statt das zu vermeiden, was nicht klappt.
Trainiere gezielt, aber achtsam. Gib deinem Pferd die Möglichkeit, Stabilität, Tragkraft, Mut und Präsenz zu entwickeln.
🌱 Erlaube deinem Pferd, sich neu zu erfinden.
Halte nicht am „alten Bild“ fest. Gib ihm jeden Tag die Chance, mehr zu werden als gestern.
Fazit: Dein Pferd ist nicht zerbrechlich – es wartet darauf, stark zu werden
Natürlich: Es gibt Phasen, in denen dein Pferd Unterstützung braucht.
Natürlich dürfen wir Rücksicht nehmen, wenn körperliche oder emotionale Themen im Raum stehen.
Aber wenn Rücksicht zur Vermeidung wird, zur ständigen Schonung, zur inneren Begrenzung – dann raubst du deinem Pferd die Chance auf Entwicklung.
Also frag dich ehrlich:
➡️ Was siehst du in deinem Pferd?
➡️ Wer könnte es sein – wenn du es wirklich zulässt?
Denn die Realität, die du innerlich trägst, ist die Realität, in der dein Pferd lebt.
Gestalte sie bewusst. Kraftvoll. Und voller Zuversicht.
Möchtest du lernen, wie du dein Pferd achtsam, aber entwicklungsorientiert trainierst – selbst mit gesundheitlichen Vorgeschichten oder emotionalen
Herausforderungen?
Dann begleite ich dich gern mit individueller Beratung, Trainingsplanung oder pferdegerechter Therapiearbeit.
Für dich und dein Pferd,
Deine Sarah