6 Gründe, warum sich dein Pferd beim Reiten einrollt – und warum das ein Warnsignal ist

 

Ein tief getragener Kopf, ein rund aussehender Hals, der Rücken wölbt sich leicht: Für viele Reiterinnen sieht das wie „korrektes Reiten in Anlehnung“ aus.

Doch die Wahrheit ist: Ein Pferd, das sich beim Reiten einrollt, zeigt in vielen Fällen ein deutliches Warnsignal.
Was wie Losgelassenheit oder Versammlung aussieht, ist oft das Gegenteil – ein Ausdruck von Überforderung, Missverständnis oder sogar Schmerz.

In diesem Beitrag zeige ich dir 6 häufige Ursachen für das Einrollen – und warum ein solches Reiten langfristig schädlich für dein Pferd sein kann.

 

1️⃣ Schmerzen oder Blockaden – Das Pferd schützt sich

Ein häufig unterschätzter Grund für das Einrollen sind körperliche Beschwerden:

  • Blockaden in der Halswirbelsäule

  • Verspannungen im Genick

  • Schmerzen im Rücken oder Kiefer

  • schlecht passende Ausrüstung (Sattel, Gebiss, Nasenriemen)

Ein Pferd, das sich beim Reiten plötzlich oder dauerhaft einrollt, kann schlicht versuchen, dem Schmerz auszuweichen.
Der Kopf wird tief getragen, das Maul ist eng – nicht aus Anlehnung, sondern weil das Pferd sich in Schonhaltung bringt.

 

2️⃣ Unklare Hilfen oder permanenter Druck

Wenn das Pferd nicht versteht, was du von ihm willst, oder unter ständigem Zügeldruck steht, sucht es einen „Ausweg“.
Und dieser führt nicht selten nach innen – der Kopf wird eingerollt, der Kontakt zur Reiterhand scheinbar vorhanden. Doch in Wirklichkeit:

  • entzieht sich das Pferd dem Druck

  • spannt die Muskulatur im Genick und Unterhals

  • verliert die Verbindung zum Hinterbein

Dieses Verhalten ist kein Zeichen von Kooperation, sondern von Hilflosigkeit.

 

3️⃣ Mangelnde Balance & Ausbildungslücken

Junge Pferde oder Pferde mit Trainingslücken rollen sich oft ein, weil ihnen die Kraft, Koordination oder Tragfähigkeit fehlt, sich korrekt zu tragen.
Das betrifft besonders:

  • das Gleichgewicht in Kurven

  • die Stabilität bei Übergängen

  • die Fähigkeit, Last aufzunehmen

Statt sich ausbalanciert vom Hinterbein nach vorne zu dehnen, flüchten sie sich in ein „Einsacken“ – was zwar optisch rund aussieht, aber biomechanisch schädlich ist.

 

4️⃣ Stress & mentale Überforderung

Ein Pferd, das zu viel, zu schnell lernen soll, entwickelt häufig mentale Schutzmechanismen.
Eines davon: Das Einrollen als Rückzug.

Das Pferd zeigt:

  • leeren Blick

  • starres Maul

  • völlige Abschottung nach innen

In der Verhaltenstherapie sprechen wir hier von "Shut down" oder sogar "erlernter Hilflosigkeit".
Das Pferd hat gelernt: „Egal was ich tue, ich kann mich nicht verständlich machen – also tauche ich ab.“
Ein erschreckend häufiger Zustand in der klassischen Reitpraxis.

 

5️⃣ Fehlinterpretation von Anlehnung

Viele Reiterinnen lernen: „Der Kopf muss tief – das ist korrektes Reiten.“
Das Resultat: Pferde, die mit der Nase auf der Senkrechten oder sogar dahinter laufen – ohne dabei korrekt von hinten zu arbeiten.

Dabei gilt:
👉 Echte Anlehnung beginnt im Hinterbein – nicht im Maul.

Ein Pferd, das sich korrekt trägt, dehnt sich ans Gebiss heran – mit aktiver Hinterhand, aufgewölbtem Rücken und gedehnter Oberlinie.
Ein eingerollter Hals ist das Ergebnis von Fehlverständnissen in der Ausbildung, die leider oft systematisch vermittelt werden.

 

6️⃣ Fehlende Tragkraft – und die Flucht vor dem Reitergewicht

Das ist der am meisten unterschätzte Grund:
Viele Pferde haben (noch) nicht die körperliche Fähigkeit, den Menschen gesund zu tragen.

Ohne:

  • aufbauende Gymnastizierung

  • korrekte Muskelarbeit

  • lange Dehnungsphasen

  • Vorbereitung auf Versammlung

…versucht das Pferd, dem Reitergewicht irgendwie zu entkommen.
Das Einrollen ist dabei oft ein Versuch, die Last nach vorne zu schieben – weg vom Rücken, der überlastet ist.

Was folgt?

  • Die Oberlinie bricht ein

  • Die Hinterhand wird inaktiv

  • Der Bewegungsfluss stockt

Das Ergebnis: Der Körper leidet.

 

Warum das Einrollen nicht harmlos ist

 

Ein eingerolltes Pferd:

  • verspannt im Genick

  • arbeitet mit dem Unterhals, nicht mit der Oberlinie

  • blockiert die Hinterhand

  • belastet Gelenke unphysiologisch

  • leidet psychisch unter dem Dauerdruck

Und das Schlimmste: Es sieht für viele immer noch „schön“ aus – weil wir gelernt haben, auf äußere Form statt auf innere Prozesse zu achten.

 

✅ Wie du es besser machst

Statt das Pferd „in die Form zu reiten“, frage dich:

  • Trägt sich mein Pferd selbst oder muss ich es „halten“?

  • Ist es mental bei mir – oder im inneren Rückzug?

  • Arbeitet es aktiv mit dem Hinterbein?

  • Ist der Rücken schwingend und locker – oder fest?

Setze auf:

  • sanfte Gymnastizierung von hinten nach vorne

  • ehrliche Dehnung statt Halten

  • emotionale Balance als Trainingsziel

  • Feinfühligkeit in der Hilfengebung

  • Regelmäßige Checks von Sattel, Zähnen, Bewegungsapparat

 

Fazit: Ein eingerolltes Pferd braucht deine Hilfe – kein stärkeres Gebiss

 

Wenn du erkennst, dass dein Pferd sich einrollt, nutze das nicht als Korrekturmoment – sondern als Einladung zur Reflexion. Es zeigt dir: „Ich komme hier an meine Grenze.“

Dein Job ist es, diesen Hilferuf zu hören – und das Training so anzupassen, dass dein Pferd sich wieder aufrichten kann und will.

Denn nur ein Pferd, das sich frei und selbstbewusst bewegt, kann dich wirklich tragen – körperlich und seelisch.

 

Willst du lernen, wie dein Pferd sich gesund tragen kann – ohne Zwang, Druck oder Stress?
Dann begleite ich dich gern mit individueller Trainingsbegleitung, Sitzschulungen oder Verhaltenstherapie. Schreib mir eine Nachricht – ich freu mich auf euch!

 

Für dich und dein Pferd,
Sarah