„Man muss eine Trainingseinheit immer positiv abschließen!“ –
Das ist ein Satz, den man in der Pferdewelt häufig hört. Und ganz ehrlich?
Ich habe ihn früher selbst geglaubt.
Doch heute sehe ich das anders. Als Pferdetrainerin, Therapeutin und Pferdeverhaltens-Expertin weiß ich:
Was wir für einen „positiven Abschluss“ halten, ist nicht immer im Sinne des Pferdes.
Ein Moment, der alles veränderte
Kürzlich habe ich eine sehr persönliche Erfahrung mit meiner Stute gemacht.
Sie hatte eine Panikreaktion – eine echte Überforderungssituation – während einer Einheit mit ihrer Reitbeteiligung. Als ich dazu kam, war sie sichtlich gestresst, unruhig, ihr ganzer Körper
sprach von Überforderung.
In so einem Moment die „Einheit irgendwie gut zu beenden“, wäre reiner Selbstzweck gewesen. Für mein menschliches Ego. Für mein Bedürfnis nach Kontrolle. Aber sicher nicht für ihr emotionales Gleichgewicht.
Also habe ich genau das getan, was viele als "Aufgeben" bezeichnen würden: Ich habe aufgehört.
Nicht, weil sie „gewonnen“ hat – sondern weil sie mir gezeigt hat, was sie gerade braucht:
➡️ Runterkommen.
➡️ Sicherheit.
➡️ Vertrauen.
Warum ich keinen „guten Abschluss“ erzwinge
Viele Reiterinnen und Trainerinnen wollen, dass ein Pferd nach einer schwierigen Situation „noch schnell etwas Gutes macht“. Eine Lektion, die funktioniert. Eine Übung, bei der man loben
kann.
Aber hier liegt ein Denkfehler:
👉 Ein guter Abschluss für dich ist nicht automatisch ein guter Abschluss für dein Pferd.
Wenn das Pferd innerlich aufgewühlt, im Sympathikus (Fluchtmodus) und voller Stresshormone ist, lernt es in diesem Zustand gar nicht
nachhaltig.
Du kannst vielleicht eine Übung „durchziehen“, aber das Einzige, was du damit stärkst, ist die Unsicherheit.
Die Idee, dass Pferde „lernen müssen, durchzuhalten“, ist ein Relikt aus dem Dominanzdenken – nicht aus einer modernen, wissenschaftlich fundierten Sicht auf Pferdeverhalten.
Selbstregulation statt Drill: Das ist mein Fokus
In meiner Arbeit – sei es im Training oder in der Therapie – steht immer die emotionale Lage des Pferdes im Mittelpunkt.
Wenn mein Pferd Angst hat, hektisch ist oder blockiert, interessiert mich keine korrekt ausgeführte Übung mehr.
Was zählt, ist:
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Wie schnell kann es wieder in einen ruhigen Zustand finden?
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Wie sicher fühlt es sich bei mir?
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Kann ich ihm helfen, sich selbst zu regulieren – ohne Druck?
Denn das ist nachhaltiges Training. Kein erzwungenes Ende mit einer Übung, die „halbwegs funktioniert“, sondern eine echte Rückkehr in die Ruhe.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Neurowissenschaftlich ist es eindeutig:
Ein Tier (auch der Mensch), das sich in einem Zustand erhöhter Erregung befindet – wie Angst, Stress oder Panik –
❌ kann nicht klar lernen
❌ kann keine feinmotorischen Bewegungen kontrollieren
❌ kann kaum Informationen sinnvoll abspeichern
Das bedeutet:
Ein „positiver Abschluss“ in einem Zustand der Überforderung ist nicht nachhaltig – und kann sogar kontraproduktiv sein.
Was dagegen hilft, ist Co-Regulation:
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Das Pferd erlebt: „Ich bin in einem Ausnahmezustand, aber mein Mensch bleibt ruhig.“
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Es spürt: „Ich darf runterkommen. Ich werde nicht bestraft oder überfordert.“
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Und es lernt: „In schwierigen Situationen kann ich meinem Menschen vertrauen.“
Vertrauen entsteht nicht durch perfekte Abläufe – sondern durch echtes Zuhören
Mein Ziel ist nicht, dass mein Pferd am Ende der Einheit „eine Lektion kann“.
Mein Ziel ist, dass es:
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emotional stabil bleibt oder wieder wird,
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in unserer Beziehung Sicherheit findet,
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weiß: „Wenn es mir zu viel wird, wird das gesehen und respektiert.“
Denn ein Pferd, das sich sicher fühlt, wird viel eher bereit sein, neue Dinge zu lernen – aus eigener Motivation. Und genau das ist der Weg zu einer echten, verlässlichen Partnerschaft.
Fazit: Training endet dann, wenn das Pferd es braucht – nicht, wenn der Mensch es erwartet
Ich erzwinge keinen positiven Abschluss, weil ich nicht will, dass mein Pferd „durchhält“ oder „funktioniert“.
Ich will, dass es sich gehört, begleitet und sicher fühlt.
Und ja – manchmal bedeutet das:
👉🏻 eine Einheit zu beenden, ohne dass „etwas geklappt hat“
👉🏻 einfach nur dazustehen, zu atmen und Sicherheit zu geben
👉🏻 die eigenen Erwartungen zurückzustellen und das Pferd in den Mittelpunkt zu stellen
Denn das ist für mich gutes Training:
Eines, das nicht auf Leistung, sondern auf Beziehung basiert.
Eines, das auf Vertrauen statt auf Kontrolle setzt.
Eines, das nicht perfekt aussieht – aber sich für beide richtig anfühlt.
Möchtest du mehr über pferdegerechtes Training lernen – besonders in schwierigen Situationen?
Dann melde dich gern bei mir. Ich begleite dich und dein Pferd auf einem Weg, der nicht auf Druck basiert, sondern auf echter Verbindung.
- Dein Pferd wird es dir danken.