Mit dieser Methode würde ich ein kopfscheues Pferd niemals trainieren

Es gibt Trainingsmethoden, die sind so tief in der Pferdewelt verankert, dass sie kaum hinterfragt werden – obwohl sie Pferden nachweislich schaden können.

 

Besonders deutlich zeigt sich das bei einem sensiblen Thema: kopfscheue Pferde.

Wenn ein Pferd sich nicht am Kopf berühren lassen will – beim Halftern, Trensen, Putzen oder Streicheln – ist das kein „Ungehorsam“. Es ist ein deutliches Signal:

 

👉 „Ich fühle mich unsicher. Ich brauche Zeit. Ich brauche Verständnis.“

Und genau hier trennt sich in meinen Augen pferdegerechtes, feines Training von konditionierendem Gehorsamstraining.

 

Denn eine Methode, die ich bei kopfscheuen Pferden niemals anwenden würde, ist die Arbeit mit Druck und negativer Verstärkung.

 

Was ist negative Verstärkung – und warum ist sie bei kopfscheuen Pferden so gefährlich?

 

Negative Verstärkung bedeutet: Es wird ein unangenehmer Reiz (z. B. Zug am Strick, Druck mit der Hand, mit dem Stick oder durch Annäherung) aufgebaut, der erst nach der gewünschten Reaktion des Pferdes wieder verschwindet.
Im Alltag sieht das z. B. so aus:

  • Der Mensch nähert sich dem Kopf, das Pferd weicht aus.

  • Der Mensch „bleibt dran“, erhöht die Intensität (bleibt näher dran, zieht mehr am Halfter, bleibt hartnäckig), bis das Pferd „stehenbleibt“ oder „aufgibt“.

  • Sobald das Pferd nicht mehr reagiert, wird der Reiz entfernt – als Belohnung.

Das Problem dabei:
👉 Das Pferd lernt nicht, dass es sicher ist.
👉 Es lernt nur, dass Widerstand sinnlos ist.
👉 Es funktioniert – aber es vertraut nicht.

 

Flooding – wenn das Pferd innerlich abschaltet

 

Diese Art von Herangehensweise kann in einen Zustand führen, den man Flooding nennt: Das Pferd wird mit einem angstauslösenden Reiz so lange konfrontiert, bis es keine Reaktion mehr zeigt.

Aber Vorsicht: Das ist keine Entspannung. Das ist erlernte Hilflosigkeit.

Ein geflutetes Pferd:

  • hat innerlich aufgegeben,

  • zeigt keine Reaktion mehr – nicht, weil es sich wohlfühlt, sondern weil es resigniert hat,

  • wird langfristig unsicherer, gespannter und anfälliger für Vertrauensbrüche.

Flooding ist kein Lernen im eigentlichen Sinne. Es ist eine Schutzreaktion des Nervensystems – und sie ist hochgradig schädlich für die Beziehung zum Menschen.

 

Warum kopfscheue Pferde besonders sensibel auf diese Methode reagieren

 

Der Kopf eines Pferdes ist ein hochsensibler Bereich.
Viele Pferde reagieren kopfscheu, weil sie:

  • in ihrer Vergangenheit grob oder rücksichtslos behandelt wurden,

  • schlechte Erfahrungen mit dem Halfter, Trensengebiss oder Tierarzt gemacht haben,

  • schlichtweg überfordert wurden – zu schnell, zu viel, zu nah.

Wenn ein kopfscheues Pferd dann mit Druck oder Zwang „desensibilisiert“ werden soll, wird das ursprüngliche Trauma verstärkt, nicht gelöst.

Die Folge:

  • Das Pferd lernt nicht, dass der Mensch Sicherheit bedeutet.

  • Es lernt nur, dass es keine Wahl hat.

  • Und das zerstört Vertrauen – statt es aufzubauen.

 

Wie ich stattdessen mit kopfscheuen Pferden arbeite

 

Gutes, pferdegerechtes Training beginnt immer mit dem Zuhören. Besonders bei kopfscheuen Pferden braucht es eine klare Haltung:
Ich will nicht, dass du es aushältst – ich will, dass du dich sicher fühlst.

 

Meine Prinzipien:

✅ 1. Positive Verstärkung statt Druck

Ich arbeite mit Futterlob, sanfter Stimme und Wohlfühlmomenten. Jedes freiwillige Verhalten wird belohnt – damit das Pferd gerne mitmacht.

✅ 2. Langsamkeit als Stärke

Ich zerlege jedes Ziel in winzige Schritte. Heute darf es nur ein Nasenstupser in Richtung Halfter sein. Morgen vielleicht ein kurzes Berühren mit dem Finger. Das Tempo gibt das Pferd vor.

✅ 3. Wahlfreiheit geben

Das Pferd darf „nein“ sagen. Es darf ausweichen. Ich frage mich dann: Was braucht es von mir, damit es sich wieder annähern kann?
Ein echtes „Ja“ vom Pferd ist nur möglich, wenn es auch ein „Nein“ geben darf.

✅ 4. Sicherheit als höchstes Ziel

Jede Trainingseinheit ist darauf ausgerichtet, dass das Pferd mehr Vertrauen in sich, in den Menschen und in die Situation gewinnt.
Das ist nachhaltiges, gesundes Lernen.

 

Fazit: Training darf nicht zur Überforderung werden

 

Ein kopfscheues Pferd ist kein „Problem“, das gelöst werden muss.
Es ist ein Tier, das in seiner sensibelsten Zone – dem Kopfbereich – unsere besondere Achtsamkeit braucht.

Methoden, die auf Druck, Zwang oder Flooding basieren, führen vielleicht zu kurzfristigem Gehorsam, aber nie zu echter Sicherheit.
Und Sicherheit ist die Grundlage für jede Form von Kooperation.

 

Darum gilt für mich ganz klar:

 

👉 Mit dieser Methode – negativ verstärkendes, druckbasiertes Training – würde ich ein kopfscheues Pferd niemals trainieren.

 

Weil Pferde mehr verdienen. Weil Vertrauen nicht erzwungen, sondern aufgebaut wird. Und weil jedes Pferd das Recht auf ein Training hat, das es wahrnimmt, respektiert und stärkt.